Dienstag

Die grosse und überwältigende Initiation

Als der Turm zerbarst und was danach geschah…

Als ich nächstentags aufstand. war die Welt bis in die Wurzeln ihres Daseins verändert:

Ich öffnete meine Augen und sah unzählige Energiefelder wie Himmlische Schleier aus feinstofflichem Äther. Diese Schleier bewegten sich im Atem eines ewigen unbegrenzten Gottes, diese Schleier waren zugleich die himmlischen Pfade unsichtbarer und doch wahrzunehmender Engel. Ich hörte deren Flügelrauschen, sanfte Bewegungen berührten mein Herz.
Das Herz - oh dieses Herz aus Rubin öffnete seine Tore und Götter fuhren da hinein und nahmen Platz. Rund um diesen Leib, meinem Leib sammelte sich ein seltsamer Geruch.

Es war das Parfüm der Frau in Scharlach, jener göttlichen Braut, die das Tier reitet. All das wurde mir ohne Stimme ins Gedächnis eingegeben. Das Gedächnis wuchs und mein Haubt bestand aus reiner Energie. Jeder Gedanke, der sich aus dem Nichts löste, wurde vor meinem inneren Auge strahlend hell und gebar magische Kräfte, deren Existenz ich mir niemals hätte vorstellen können. Meine Kameraden fragten baldeinmal "Was ist mit Dir? Du bist auf einmal so still?"

Ich war ausserstande, eine sinnvolle Antwort zu geben, ich konnte nicht hingehen und meinen Freunden erzählen, was geschehen ist, denn jenes Denken, das tausend Dinge expliziert oder widerlegt, war paralysiert. Ich fühle mich wie ein hellwacher Schlafwandler in einem hyperrealistischen Traum, so schaue ich glücklich und verträumt, mit Tränen in den Augen und Furcht manchmal: "aber nein… es geht mir gut, es ist nur alles so anderst geworden um mich"
Fragte jemand weiter, was denn anderst ist und wollte ich auch eine logische Antwort geben - mein Mund klappte zu wie von einer fremden Kraft gesteuert und ich konnte lediglich wie eine Schlange windend in meinen Bart nuscheln und rätselhafte Dinge murmeln, dass sogar meine Genossen mich voller Sorge ins Auge nahmen und schwiegen.

In den folgenden Wochen erlebte ich die tiefgreifenste Transformation, die ein Mensch auf Erden erfahren kann. Oftmals,wenn das logische Denken mit heftiger Paranoja all das, was mir widerfuhr erklären wollte, musste ich mir sagen: Such die Antwort nicht, sonst wirst Du wahnsinnig! Geniesse jeden Tag, der da kommt.

Auflösung des Egos

Aus den Magischen Tagebüchern von Papus II
Durch jenes Ereignis löste sich mein Ego rapide auf, ahnlich einem Stück Eisen, das man in Salzsäure wirft. Als Geschenk erhielt ich ein erweitertes Bewusstsein, das seine Pforten der Wahrnehmung tief ins mystische Universum öffnete. Ich ging jetzt sichtlich ruhiger durch die Welt, auf leisen Sohlen schritt ich meine Wege ab, das Bedürfnis mit Menschen zu reden, sank beinahe auf Null. Dies nicht etwa weil ich grimmig im Geiste war, nein, weil ich sprachlos staunte und zu verstehen suchte.

Jeder Tag füllte sich mit kleinen Wundern und Schrecknissen an. Einst kam ein Freund, den ich nicht oft sah, zu mir heim. Ich sass in tiefer Kontemplation in meiner Kammer. Er setzt sich zu mir, ich grüsse ihn freundlich, bin aber in meinem Geiste so sehr mit Energie beschäftigt, dass ich nur schwieg. Dann formte ich einen Ball in der Luft und sagte "Nuit" darauf stiess ich mit meinem Finger hinein und sagte "Hadit, roter Punkt…" Kaum gesagt, hören wir von draussen einen leisen Knall, wir schauen aus dem Fenster in den regnerischen Tag und sehen einen grünen Blitz im Baum zucken. Mein Freund war bass erstaunt und rief: "hast du Das gesehen?" ich bejahte und nahm schweigend zur Kenntniss, dass einige dieser Phänomene nicht nur in meinen hellsichtigen Augen stattfinden. Glücklich entspannte ich.

Ich hatte auch Zeiten der Panik. Vorwiegend nachts oder nach riskanten Manövern der Magie. Während der ersten Woche seit der Grossen Umwälzung holte mich natürlicherweise die Angst vor dem Zerstörergott heim. Ich befürchtete einen abermaligen Anschlag auf meine Seele, so habe ich viel in der Düsternis halluziniert. Da war ein Ball auf dem Boden meiner unordentlichen Bude. Ich starrte darauf und sah eine pulsierende graue Kugel, ich dachte ängstlich, ein schwarzer Stern habe sich in meinem Zimmer manifestiert und jener graue Fleck sei der Schwarzschild-Radius… wehe mir, wenn sich dieser ausbreitet. Ich würde dann also in dieser Kugel verschwinden, langgezogen und in einzelne Atome zerlegt, flachgewalzt und und und… So beobachtete ich mit lähmendem Schrecken die graue Kugel, befahl ihr sich nicht vom Fleck zu rühren und schlief irgendwann vor lauter Erschöpfung ein.
Am nächsten Morgen checkte ich erleichtert, dass es wirklich nur ein roter Spielball war.
So wurde ich aus purer Angst Opfer einer Hallunzination.

Das Leben zuvor

Es war irgendein Tag im Frühling 1986. Ich schätze, die Sonne wechselte zu dieser Zeit in den Widder. Der Tag ist so freundlich, wie jeder Tag sein kann. Diese Welt, die sich da rund um Ramon, dem Maler und Drogenliebhaber, Deborah, die Astrologin und Hexe, ich Papus, der Zauberer und all die anderen, wir haben unser gemeinsames Universum erschaffen.

Ramon malt die Bilder von jenen Göttern, Heroen, Prinzessinnen und Dämonen, die in unserer Welt Einfluss nehmen. Deborah stellt unentwegt Horoskope für jedermann und jedefrau, die ihr Haus betritt und zeigt uns somit dass jedes Horoskop einzigartig ist, also muss auch der Mensch einzigartig sein. Meine Arbeit an diesem mythischen Universum ist, dass ich meine Freunde unentwegt über exotische Religionspraktiken und dem Treiben altägyptischer Götter und Göttinnen unterrichte. So ist ein Kraftfeld entstanden, von welchem sich einige Besucher angewidert abwenden, aber manche Besucher lassen sich von unserem Zauber bezirzen und liegen dann nächtelang rauchend in den Sofas und lassen geschehen, was geschiet.

Da wir alle Nachteulen sind, ist's wahrscheinlich bis zu jener Nacht noch nie geschehen, dass um Mitternacht die Musik verstummt und alle Mitbewohner einschlafen… bis auf mich.

Montag

Im Angesicht des Teufels, die Metamorphose beginnt!

Ich sitze in meiner Kammer, rundherum umgeben von den Bildern Ramon's. Ich brüte vor mich hin, zweifle an meiner Magie und meinem daraus erwachsenen GW, zweifle also an all den magischen Sensationen, die ich erlebte, irgendwie hoffte ich auf eine tiefere Erkenntniss dessen, was ich bin. Ich lege ein grosses Tarot in der Hoffnung, mehr über mich selbst zu erfahren. Hier das Bett, auf dem ich sitze, vor mir mein kleiner Altar, in meinem Blickfeld ein riesengrosses Oelbild:
nicht dasselbe Bild
another Painting von Ramon Ramalan

fantastisch - anarchistisch - antichristlich, ein Ziegenbocksgott mit gewaltigen Hörnern, aus welchen wiederum vier Teufel herausschauten. Ich legte also bedächtig den Tarot und blickte mit Verwunderung auf die Karten. Da kommt zuerst die Nummer 16, der berstende Turm mit dem Riesenmaul, dann der Magier, die Herrschaft mit Stäbe-2, es folgen noch andere, alles wuchtige Karten, auch die Nummer 15, der Teufel… Wie ich so über den Tarot gebeugt sinniere, füllt sich der Raum mit einem ätzenden Geruch. Ich habe aber weder eine Zigarette noch sonst irgendetwas brennen. Ich blicke auf und schaue dem Teufel geradeaus ins Gesicht. Die Farben und Konturen leben darin, das Bild wogt hin und her und diese Augen - sie fesseln mich - hypnotisieren mich und dann greift eine eherne Faust nach meinem Herz. Der Gestank hat sich nun vollends ausgebreitet und ich kriege keine Luft, die unsichtbare Faust hält mein Herz umschlossen. Jetzt muss ich sterben…ist mein letzter Gedanke. Mein Himmel, mein Gott, jetzt ist es aus !
Tiefste Agonie ergreift mein Wesen, ich keuche, kann vor lauter Schrecken nicht mal um Hilfe schreien. Als die eiserne Faust ein wenig lockerlässt, kipp ich nach hinten, schier ohnmächtig schleppe ich mich aus dem Bannkreis dieser tödlichen Kraft, versuche Hilfe und Tröstung bei den anderen zu holen. Ohne Sinn… sie schlafen alle tief und fest wie in magischem Bann.


Du bist Da, Wo kein Gott ist !

Du bist alleine !

Dieser mächtige Gedanke brennt regelrecht auf meiner Stirn… Dies ist der Zorn Gottes! Nun bade aus, was Du getrieben hast!

Furchtsam und doch tapfer trete ich abermals in das Inferno. Der Gestank, die eiserne Kralle - ein zweites Mal, nun nicht mehr mit derselben Wucht - ich stöhne und jaule wie ein geschlagener Hund. Was soll ich tun ? wimmert es in mir. Da…ich hab eine Idee… lasst uns den Finsterling mit Musik besänftigen! Subito baue ich meinen Synthie vor dem Abbild des Teufels auf und beginne drauflos zu orgeln. Der Gestank löst sich ins nichts auf und die eiserne Kralle weicht von meinem Herzen, ein unbeschreiblich saurer Geschmack bleibt in meinem Munde zurück, bald falle ich in einen tiefen todesähnlichen Schlaf und als ich nächstentags aufwachte, war die ganze Welt, innen und aussen, nicht mehr so, wie sie vor dieser einen Nacht war. Mein Bewusstsein hat sich total transzendiert.